MLK-MAGAZIN
aktuell

Gemeindechronik
1949-1999

Baugeschichte
Gemeindegeschichte
Geistliche Gemeindeerneuerung
Hauskreisarbeit
Gebetsgottesdienst
Gebetskreis
Seelsorgekreis
Kirchenmusik
Jugendband
Kindergarten
Kindergottesdienst
Jugendarbeit
Familienarbeit
Müttertreff
Seniorenarbeit
Mesnerdienst
Bücherdienst
Eine-Welt-Laden
Besuchsdienst
Kirchenvorstand
Pfarramt
Ökumene
Gesamtkirchengemeinde
Gemeindemagazin

Impressum
 

 

Baugeschichte


Stiftertafel bei der Einweihung
(Foto: Walter Röder)

Am 6. Juni 1999 jährt sich zum 50sten Male die Einweihung der Martin-Luther-Kirche im Würzburger Stadtteil Frauenland, die man zu den architektonischen Besonderheiten der mainfränkischen Metropole zählen darf, ist sie doch eine jener berühmt gewordenen 48 Notkirchen, die nach einem Entwurf von Otto Bartning zwischen 1948 und 1951 überall in Deutschland entstanden sind und den dringendsten Bedarf an protestantischem Kirchenraum zu lindern halfen. Zugleich ist dieses Notkirchenprogramm ein außerordentliches Zeugnis praktischer Solidarität der protestantischen Glaubensgemeinschaft, entspringt es doch einer bereits in den letzten Jahren des Zweiten Weltkrieges angelaufenen überwältigenden Spendenbereitschaft vor allem amerikanischer und schweizerischer Gemeinden innerhalb des Lutherischen Weltbundes. Diese sahen höchst realistisch die Nöte eines Wiederaufbaues nach dem sich abzeichnenden Untergang Deutschlands voraus.

Ideeller wie architektonischer Urheber dieses singulären Programms war Otto Bartning (1883 bis 1959), dessen herausragende Bedeutung für die Entwicklung des protestantischen Kirchenbaues in unserem Jahrhundert vielfach gewürdigt wurde (siehe Literaturhinweise). Bartning entwickelte die Idee einer einfachen, seriell herstellbaren und damit ungemein kostengünstigen Montagekirche in vier Grundtypen, die unproblematisch den jeweiligen örtlichen Gegebenheiten angepaßt werden konnte (Bild: Grundriß). Grundelement waren industriell gefertigte Nagelbrettbinder als Dreigelenkrahmen aus Nadelholz, die über örtlich hergestellten Streifenfundamenten aufgestellt und mit Pfetten und Dachtafeln ausgesteift wurden (Bild: Konstruktion und Aufbau). Hinzu kamen vorgefertigte Emporenelemente, Gestühl, Fenster und Türen als "Holzkonstruktionen in ingenieurmäßiger sparsamer Ausführung". Die Umfassungsmauern als nichttragende ausfachende Elemente mußten vor Ort aus vorhandenem Material, umständehalber vor allem Trümmersteinen, hochgezogen werden. Ebenfalls Teil des Programms waren Altar und Kanzel in tektonischer Ausbildung ohne künstlerischen Schmuck sowie das Angebot eines einfachen Altarkreuzes im Chorhaupt.


Otto Bartning
(Foto: Hans K.F. Mayer 1958)

Wenn auch der Name dieses Programms in den ersten Nachkriegsjahren auf Notbehelf im Sinne von Barackenbau oder Provisorium zu deuten scheint, so ist doch mit diesem Kirchentypus bei aller Sparsamkeit der Mittel eine gültige und zeitüberdauernde Gestalt des evangelischen Kirchenbaues gefunden worden, was nicht zuletzt die große Zahl der bis heute erhaltenen, kaum veränderten Kirchen beweist.

Der Begriff "Notkirche" ist eben nicht nur reales Programm, sondern Wesensmerkmal einer elementaren Raumsprache. Bartning selbst sagte bei der Einweihung des Musterbaues der St.-Johannis-Kirche in Pforzheim 1948: "Sehet, diese vom Boden auf zueinander geneigte und zum Rund sich schließende Konstruktion, sie ist ein solches Zelt in der Wüste. Wir wissen aber, daß gerade in der Wüstenei der Stadt, daß in der Not und Verwirrung der Seelen die klare Ordnung, die Einfalt und unbedingte Ehrlichkeit dieses Zeltes von tiefster Bedeutung ist. Wir wissen, daß die Notkirche nicht notdürftiger Behelf, sondern neue und gültige Gestalt aus der Kraft der Not bedeutet".

Der Begriff "Zelt" geht über das vordergründige Erscheinungsbild des Baukonstruktiven hinaus und hebt ab auf die symbolische Bedeutung von Schutz, Behausung und letztlich Geborgenheit. Dieses in der Zeit größter Not zentrale Anliegen verfolgte Bartning mit weiteren Serienbauprojekten wie der Lehmbausiedlung in Neckarsteinach ab 1946 oder den vorgefertigten Gemeindehäusern und Diasporakapellen von 1949 bis 1953. Wie kaum ein anderer Baumeister seiner Zeit war er geradezu prädestiniert für solche Bauaufgaben, hatte er sich doch schon in den 20er Jahren mit Stahlkonstruktionen und Montagebau beschäftigt und mit der weltberühmt gewordenen Stahlkirche auf der "Pressa" 1928 in Köln einen der Höhepunkte des frühen deutschen Kirchenbaues im 20. Jahrhundert geschaffen, eine kühne, mit Metall und Farbglas ausgefachte Stahlkonstruktion, die nach der Ausstellung demontiert und in Essen-Ost als Gemeindekirche wiederaufgestellt wurde.


Kirchenbaracke in der Zeppelinstraße 21a
(Foto: Walter Röder)

Es gehörte zu den für die Würzburger glückhaften Umständen nur wenige Jahre nach dem Feuersturm des 16. März 1945, der die Stadt und mit ihr sämtliche Innenstadtkirchen praktisch vernichtet hatte, daß sie eine dieser Notkirchen erhalten konnten. Zuvor war als ein erster Notbehelf im evangelischen Pfarrgarten des verschont gebliebenen Frauenlandes im November 1946 eine Wehrmachtsbaracke aufgestellt worden. Nur wenig später, am 15. April 1947, erfolgte der Antrag an das Hilfswerk der Evangelischen Kirche in Deutschland für eine solche Kirche, dem der Evangelisch-Lutherische Landeskirchenrat München mit Schreiben vom 22. Februar 1948 grundsätzlich zustimmte.

Hermann Kistner, damals Vorsteher des Baubüros der Evangelisch-Lutherischen Gesamtkirchenverwaltung Würzburg, begann unverzüglich in enger Zusammenarbeit mit dem neu berufenen Leiter der Bauabteilung des Zentralbüros des Hilfswerks der EKD, Prof. Otto Bartning, in Neckarsteinach mit der Planung, die in den Bauantrag vom 20. November 1948 mündete: Vorgesehen ist auf einem zunächst für 25 Jahre gepachteten städtischen Grundstück an der Von-Luxburg-Straße ein knapp 31 Meter langer Saalbau, entsprechend Typ B des Notkirchenprogramms, mit polygonalem Altarraum und einem der südwestlich angeordneten Sakristei vorgelegten quadratischen Turm mit Pyramiddach von knapp 23 Metern Höhe. Den Saalraum bestimmen acht Holznagelbinder von zeltartigem Querschnitt, während der Altarraum mit vier ähnlichen Diagonalbindern ins Polygon überführt wird. In die beiden westlichen Joche ist eine Empore eingefügt. Unmittelbar unterhalb der Traufe des Satteldaches belichtet ein umlaufendes Fensterband den Kirchenraum. Unverputzt gedachte Backsteinwände, außen mit hammerrechtem Muschelkalk verblendet, bilden die aufgehenden Wände. Im Zentrum des über drei Stufen erhöhten und mit niedriger Brüstung ausgeschiedenen Chorraumes steht mittig ein schlichter Altar mit Kreuz, zur linken die einfach gemauerte Kanzel, rechts der Taufstein. Die wuchtig-gedrungen wirkende Westfassade akzentuiert eine sparsame Fensterrose.

Obwohl bereits im Oktober 1948 mit den Arbeiten am Fundament begonnen wurde, stieß dieser Bauantrag bei der Stadt auf Widerstand: Stadtbaurat Otte spricht sich mit Handvermerk vom 29. Dezember 1948 nachdrücklich gegen den Turmanbau aus, und das Hochbauamt attestiert eine "städtebaulich reichlich hilflose Situierung (der Platz ist viel zu anspruchsvoll für die bescheidene Baumasse)", mit welcher "Platzverschwendung getrieben werde", die nicht gut geheißen werden könne. Kistner reicht nun eine Tektur ohne Turm nach, die der Stadt im Juni 1949 zugeht und nach zweieinhalbjährigem Hin und Her um statische Nachweise und Prüfberichte erst am 8. März 1952 in die (nachträgliche) Baugenehmigung mündet.

Ungeachtet sich dahinschleppender Baubürokratie gehen die Arbeiten rasch weiter. Ende November sind sämtliche Fundamente betoniert, die Aufmauerung der Umfassungswände hat begonnen.


Grundsteinlegung am 12. Dezember 1948 durch Landesbischof Hans Meiser
(Foto: Walter Röder)

Am 12. Dezember findet die feierliche Grundsteinlegung statt, die Landesbischof Hans Meiser in Anwesenheit des Genfer Pastors Dr. Dietrich als Vertreter des Lutherischen Weltbundes vornimmt. Probleme bereiten in der Folgezeit der Wintereinbruch und immer wieder auftretende Engpässe bei der Zuteilung von Baumaterial, wodurch sich auch die Anlieferung der vorgefertigten Serienteile aus dem Badischen verzögert. Am 8. März 1949 kann Kistner jedoch nach Neckarsteinach die erfolgte Aufstellung aller Holzbinder und den Beginn der Dachtafelarbeiten melden, und zwei Tage später, am 10. März, wird das Richtfest begangen.

Im April zeigen sich leider entscheidende negative Folgen der Winterbaustelle: Das innen hochgezogene Backsteinmauerwerk ist infolge des verwendeten Frostschutz-Mörtelzuschlages voller Salzausblühungen, die eine Oberflächenbehandlung des Mauerwerkes erfordern. Von Bartning, der die Innenwände unbedingt unverputzt belassen möchte, kommt der Rat, sämtliche Backsteinoberflächen mit verdünnter Salzsäure zu übergehen, was mit so geringem Erfolg geschieht, daß er Kistners Vorschlag einer Mauerwerksschlämme zunächst zustimmt, dies jedoch wenige Tage später nach Besichtigung der im Inneren geschlämmten Wuppertaler Notkirche telegrafisch widerruft. Zu spät, denn am 25. April berichtet Kistner dem Baubüro in Neckarsteinach den Abschluß der Schlämmarbeiten. Die Martin-Luther-Kirche gehört damit zu den wenigen im Innenraum weiß geschlämmten Kirchen, die Bartnings Gestaltungsvorstellungen karger Backsteinsichtigkeit diametral entgegenstehen. Indes ließ sich dieser in den Augen des Entwurfsarchitekten als Makel empfundene Umstand nicht mehr ändern.


Einweihung am 6. Juni 1949
(Foto: Walter Röder)

Die restlichen Arbeiten samt der ebenfalls vorgefertigten Ausstattung gingen rasch vonstatten, und am 6. Juni 1949 konnte die feierliche Einweihung der Martin-Luther-Kirche begangen werden, die Oberkirchenrat Heinrich Koch aus Ansbach vornahm. Die provisorische Barackenkirche wurde zerlegt und wanderte nach Rottendorf, wo sie noch lange Jahre gute Dienste leistete; an ihrer Stelle konnte mit dem übriggebliebenen Geld für den nicht errichteten Kirchturm der erste evangelische Kindergarten der Stadt gebaut werden. Damit hatte das Frauenland, das mit der Sanderau, der Sieboldshöhe und Gerbrunn als zweiter Pfarrsprengel zu St. Stephan gehörte, endlich sein eigenes richtiges Gotteshaus, wenn es auch an der Ausstattung allenthalben fehlte.

Beständig unterstützt von Dekan Wilhelm Schwinn, der bereits im Monatsgruß vom Januar 1958 geschrieben hatte "Ohne Turm ist die Kirche ein Torso, der Turm muß einmal erbaut werden", ging die Kirchenverwaltung um den Jahreswechsel 1960/1961 die Frage eines Kirchturmes an. Außer dem unermüdlichen Gemeindearchitekten Hermann Kistner bat man Reinhard Riemerschmid, der den Neubau der St.-Johannis-Kirche entworfen hatte, und Olaf Andreas Gulbransson, der gerade mit dem Bau der Erlöserkirche in der Zellerau betraut worden war, um je einen Entwurf.


Olaf Andreas Gulbransson
(Foto: Olaf-Gulbransson-Museum)

Kistners Vorschlag hat sich in den Archivunterlagen leider nicht erhalten. Riemerschmid schlägt einen sehr schlanken, längsrechteckigen knapp 27 Meter hohen Campanile vor, analog zum Kirchenbau mit Natursteinen verblendet, dessen oberen Abschluß eine knapp sechs Meter hohe Glockenstube aus gefaltetem Sichtbeton bildet und der durch seine sehr klare Eleganz besticht. Gulbransson entwirft einen querrechteckigen, sehr wuchtig wirkenden Turm von knapp 28 Metern Höhe, der, näher an die Kirche herangerückt, mit einer vorgelegten schrägen Zungenmauer über den Vorplatz anbindet. Eine filigrane Bronzeplastik als Turmkreuz bildet über der horizontalen Betonabschlußplatte die obere Bekrönung. Die Kirchenverwaltung spricht sich im Sommer 1961 für den Entwurf des um diese Zeit tödlich verunglückten Münchner Architekten aus, der aus heutiger städtebaulicher Sicht nicht ganz an die Qualitäten des Entwurfs seines Münchner Kollegen Riemerschmid herankommt, immerhin aber mit der Bartning-Kirche eine gewisse Einheit bildet. Der Bauantrag wird im September 1961 genehmigt, und ein Jahr später kann der Turm samt vier neuer in Erding gegossener Glocken geweiht werden. Im Zuge dieser Baumaßnahme werden zugleich der Anbau einer Werksakristei und die Neugestaltung des Vorplatzes mitausgeführt.


Glockenweihe am 9. September 1962 durch Pfarrer Hans Ahrens

Im April 1965 wird ein begrenzter Wettbewerb zur farbigen Gestaltung des Fensterbandes zwischen dem Bildhauer Helmut Ammann aus Gräfelfing, der die raumhohe Altarrückwand in der Zellerauer Erlöserkirche geschaffen hat, und dem Maler Gerd Jähnke aus München ausgelobt. Dieser Wettbewerb wird am 27. Oktober 1965 einem Preisgericht zur Entscheidung vorgelegt. Während Ammann sich für eine ungegenständliche, stärker farbige Gesamtgestaltung der Fenster entscheidet - die von ihm vorgelegte gegenständliche Alternative scheitert nach Urteil der Jury an den mangelnden Möglichkeiten einer sinnvollen Einbindung ins Farbkonzept -, überzeugt Jähnke durch seinen farbig insgesamt zurückhaltenderen Entwurf, bei welchem die einstimmig bevorzugte gegenständliche Variante für "künstlerisch bewältigt und gut gelöst" befunden wird. Dieser Entwurf, bei dem in das umlaufende Band aus abstrakten Farbfeldern jeweils Einzelszenen aus der Heilsgeschichte in einer abstrahierend-expressionistischen Formensprache eingewoben sind, wird 1966 von der Mayerschen Hofkunstanstalt in München ausgeführt.

Ebenfalls 1966 liegen der Gemeinde fünf Varianten für eine Altarraum-Neugestaltung durch das technische Referat des Landeskirchenamtes aus der Feder von Baurat Waldemar Luther vor, wobei man sich für eine Mischung der beiden letzten Varianten entscheidet: Statt vorgezogener runder Altarinsel wird diese achteckig derart gestaltet, daß ein dreiseitig gebrochener Stufenbau entsteht, in dessen linken Winkel die sparsam bildhauerisch gestaltete neue Kanzel angeordnet wird; der Taufstein rückt achsial vor die Altarstufen. Die alte Chorschrankenmauer entfällt, und in Analogie zum neuen Altarraumgrundriß werden die vorderen Bänke schrägwinkelig aufgestellt. Das gesamte Gestühl wird 1969 ebenso erneuert, wie der verbrauchte Holzdielenboden der Anfangszeit einem Industrieparkett weicht. Mit der Schaffung einer Bronzetür als "schöne Pforte" durch den Würzburger Kunstschmied Rudolf Engert findet die Umgestaltung des Kirchenraumes ihren Abschluß. (Bild: Innenraum der Kirche vor und nach der Renovierung)

Die letzte größere Baumaßnahme ist der Anbau eines Gemeindesaals unmittelbar südlich der Kirche hinter der Werksakristei nach Plänen von Architekt Hermann Schönewolf. Der so entstandene Anbau mit Martin-Luther-Saal, Küche, Foyer und sanitären Anlagen wird 1978 eingeweiht; mit der eigentlichen Notkirche hat dieses Ensemble nichts mehr zu tun, rundet jedoch die beinahe 30 Jahre zuvor begonnene Kirche zu einem lebendigen Gemeindezentrum ab.

Auch in ihrer heutigen Gestalt ist die Martin-Luther-Kirche noch immer ein originäres Zeugnis Bartningscher Kirchenbau-Vorstellungen. Grundlage der konstruktiven und formalen Seite ist ein inhaltlicher Anspruch, "der gleichermaßen von allgemein liturgisch-protestantischen und ethisch-sozialen Gedanken bestimmt war" und die gottesdienstlich-liturgische Eignung des Raumes ausmacht. Bartning hat sich sehr intensiv theoretisch wie praktisch mit evangelischem Kirchenbau auseinandergesetzt: In der Gemeindekirche bilden Pfarrer und Gemeinde eine Einheit durch die innige Zusammenbindung von Altarbezirk und Gemeinderaum. Dies kommt bei den Notkirchen, insbesondere bei den Typen ohne ausgesonderten Chor, zum Ausdruck und zeigt sich treffend in der fast ebenerdigen, nahe an die Gemeinde herangerückten Kanzel. Wechselseitiges liturgisches Handeln von Pfarrer und Gemeinde sind für Bartning wesentlich für den Kult. Die von ihm so bezeichnete "liturgische Spannung" im Raum tritt mit den lebendigen Polen von Altar und Kanzel neben die "architektonische Spannung des Raumes", steht mit ihr in Wechselbeziehung, wobei die Raumform als solche - Zentralbau oder längsgerichteter Raum - unerheblich ist. Für Bartning charakteristisch ist ein "Ineinander von geistiger Abenteuerlust, von künstlerischem Gestaltungswillen und menschlich-christlicher Verantwortungsfreudigkeit". In gewisser Weise kommt dies auch in der veränderten Altarraum-Gestaltung zum Ausdruck - die trennenden halbhohen Mauerschranken fallen, die dreiseitige Stufenfolge greift samt der neuen Bankanordnung die polygonale Brechung des Kirchenraums selbst auf und schafft damit eine zentralisierende Bewegung. Diese wird von der an der Wand umlaufenden Stuhlreihe und dem nun deutlicher prägenden Fensterband noch verstärkt. Altar, Kanzel und Taufstein rücken akzentuierter zusammen und bilden eine dreipolige Handlungsebene in der Mitte, wie sie andernorts, vor allem in den Bauten von Gulbransson, nicht zuletzt auch in der Erlöserkirche in der Zellerau, zu finden ist und bis in die Gegenwart eine lebendig begreifbare Kulthandlung garantiert.

So gesehen beweist die Martin-Luther-Kirche in Würzburg täglich aufs neue die Glückhaftigkeit der Idee der Notkirche: zwar aus der Not geboren, aber eben nicht Notbehelf, sondern dauerhaft gültiger Ausdruck von Kirche und Zentrum einer bis auf den heutigen Tag lebendigen Gemeinde.

Dr. Ulrich Kahle

 

Diese Seiten stammen aus der Festschrift zum 50-jährigen Kirchenjubiläum im Jahr 1999.
Hier geht es zu den aktuellen Informationen.
Copyright © 1999-2000 Martin-Luther-Kirche. Alle Rechte vorbehalten.